Fit für die Zukunft – Technik-Upgrade im X-WiN
Das X-WiN, Rückgrat der Wissenschaft in Deutschland, hat ein Technik-Upgrade bekommen. Neue Core-Router mit 800 Gbit/s-Schnittstellen, eine leistungsfähige Optische Plattform und ein innovatives Echtzeitmonitoring sorgen für noch mehr Bandbreite, Ausfallsicherheit und Effizienz – insbesondere mit Blick auf die aktuelle Umsetzung der Leistungssteigerung des Dienstes DFN-Internet.

Bestens vernetzt: Das X-WiN sorgt für einen reibungslosen Datenfluss in Deutschland.
21. August 2025
Ob bahnbrechende Erkenntnisse in der Astrophysik wie die Entdeckung der Kilonova, Erkenntnisse in der Teilchenphysik wie der Nachweis des Higgs-Bosons oder die Analyse kompletter Genome große wissenschaftliche Durchbrüche entstehen heute meist in disziplinübergreifenden internationalen Kooperationen. Forschungsverbünde mit mehreren Tausend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sind längst Alltag. Dabei werden enorme Mengen an Forschungsdaten erzeugt, die nahezu in Echtzeit weltweit übertragen werden müssen.
Um die Bandbreiten für solche Datenmengen verlässlich zur Verfügung stellen zu können, entwickelt der DFN-Verein sein Netz stetig weiter. In den vergangenen vier Jahren wurden darum die Optische Plattform umfassend modernisiert und die IP-Plattform vollständig erneuert – und damit optimal auf die kommende Leistungssteigerung vorbereitet.
Auf Leistungsfähigkeit ausgelegt
Mit dem X-WiN verfügt die Wissenschaft in Deutschland über ein eigenes Hochleistungsnetz, das sie selbst gestaltet und kontrolliert. Es verbindet über 850 Standorte im ganzen Land und öffnet den Zugang zu Tausenden Forschungseinrichtungen weltweit über das europäische Wissenschaftsnetz GÉANT.

„Zu Beginn war vieles neu – vom Konzept bis zur Hardware. Mit kontinuierlicher Abstimmung und auch Flexibilität in der Zusammenarbeit ließen sich fast alle Probleme lösen. Das Schönste: Wenn neue Infrastruktur in Betrieb ging, leuchteten nicht nur die LEDs – sondern vor allem unsere Augen.“
Jacqueline Struyken, DFN-Standortverwaltung
Das X-WiN zeichnet sich durch eine maßgeschneiderte, skalierbare Netzarchitektur aus, die höchste Flexibilität bei der Bandbreitennutzung ermöglicht. Die Kapazitäten lassen sich präzise an die individuellen Anforderungen der teilnehmenden Institutionen anpassen. Im Zentrum der Weiterentwicklung der Netzinfrastruktur stehen drei zentrale Ziele: maximale Verfügbarkeit, hohe Fehlertoleranz und eine standardisierte, zukunftsfähige Servicearchitektur.
Sämtliche aktiven Netzelemente sind redundant ausgelegt – so lassen sich Wartungen und Systemwechsel im laufenden Betrieb durchführen, ohne den Datenfluss zu unterbrechen. Auch die durchgehende Redundanz der Leitungswege leistet einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität und Zuverlässigkeit des Netzes.
Frisch getuned – das wurde modernisiert
Eine Infrastruktur wie das X-WiN fit für die Zukunft zu machen, ist kein Projekt von der Stange. Es braucht kluge Planung, verlässliche Partner und viele exakt aufeinander abgestimmte Schritte – über Jahre hinweg.
Die nachfolgenden Beispiele geben einen kleinen Einblick in die vielen Puzzlestücke, die es braucht, um ein Netz für die Wissenschaft von morgen zu bauen.

„Die Koordination der vielen parallel stattfindenden Arbeiten war sehr komplex.
Neben dem Umzug von Teilnehmern
und Services musste die automatisierte
Konfigurationserstellung weiterentwickelt
und Datenbanken angepasst werden. Herausfordernd war die Inbetriebnahme der 400 Gbit/s-Schnittstellen zwischen dem Optischen Netz und den Routern. Der Kraftakt hat sich gelohnt. Zu wissen, welche Unterstützung wir für Forschung und Lehre leisten, ist nach wie vor eine große Befriedigung.“
Robert Stoy, DFN-NOC
Konfigurierbare Bandbreite dank Flex-Grid
Bereits 2021 hat der DFN-Verein begonnen, an den Kernnetzknoten Flex-Grid-fähige ROADMs (Rekonfigurierbare Optische Add-Drop-Multiplexer) zu installieren. Die Flex-Grid-Technologie bietet den entscheidenden Vorteil, dass die Bandbreite einzelner Wellenlängenkanäle im optischen Netz flexibel angepasst werden kann. Während früher eine feste Kanalbreite von 50 GHz vorgegeben war, erlaubt Flex-Grid die Zuweisung von Bandbreite in feinen, 6,25 GHz-Schritten. Dadurch können Kanäle bedarfsge-recht mit 50, 100 oder 150 GHz betrieben werden.
Durch diese flexible Nutzung des Frequenzspektrums lassen sich Bandbreiten von über 100 Gbps pro Wellenlänge realisieren – eine wichtige Voraussetzung für die Skalierbarkeit der optischen Infrastruktur. Zusätzlich zum Hardwareeinbau waren umfangreiche Upgrades der Soft- und Firmware erforderlich.
Neue Router für die Aggregationsplattform
Im Jahr 2023 wurden sämtliche Router der Aggregationsplattform gegen leistungsfähigere Geräte ausgetauscht. Insgesamt wurden 58 neue Systeme an 56 Standorten erfolgreich migriert. Die neue Plattform bietet mit 2,4 Tbit/s die sechsfache Routingkapazität der bisherigen Lösung (400 Gbit/s). Damit ist es nun möglich, auch an den Aggregationsstandorten Anbindungen mit 100-Gigabit Ethernet bereitzustellen – was zuvor nur an den acht Core-Routern realisiert werden konnte.
Upgrade-Vorbereitung: 800-Gigabit-Backbone für den IP-Core
Im Zuge der Vorbereitung künftiger Leistungssteigerungen wurde ein neuer optischer Backbone mit 800 Gbit/s Kapazität für den IP-Core aufgebaut. Dafür kam eine neue Generation DWDM-Systeme mit leistungsstarken Transpondern zum Einsatz. Diese bieten zwei unabhängige Verbindungen mit 400 Gbit/s bzw. 800 Gbit/s. und können als Regeneratoren für lange Distanzen genutzt werden – bei einer maximalen Leistungsaufnahme von nur 210 Watt. Die Schnittstellen in Richtung der Router sind derzeit für 400 Gigabit Ethernet ausgelegt. 800 GE-Schnittstellen werden dann voraussichtlich Ende 2026 verfügbar sein.

„Die größte Herausforderung war die Integration eines neuen Herstellers und die Migration unserer Servicearchitektur – während des laufenden Betriebes. Spannend war, ob am Ende alles wie geplant funktioniert. Nach harten und intensiven Monaten konnten wir die Umbauten schließlich termingerecht und erfolgreich abschließen.
Thomas Schmid, DFN-NOC
Erneuerung der Core-Router im Kernnetz
Im Jahr 2024 wurde das Herzstück des Wissenschaftsnetzes modernisiert: die Core-Router im Kernnetz. Dabei ging es nicht nur um neue Hardware, sondern auch um einen kompletten Herstellerwechsel – von Cisco zu Nokia. Zum Einsatz kommen nun Servicerouter vom Typ Nokia 7750 SR, leistungsstarke Chassis-Systeme mit einer Gesamtkapazität von bis zu 108 Tbit/s im End-ausbau. Unterstützt werden Schnittstellen mit Übertragungsraten von bis zu 800 Gbit/s.
Die Line-Cards der neuen Router bieten 36 QSFP-DD-Schnittstellen und eine Routing-Performance von 12 Tbit/s – ideal für datenintensive Anwendungen und wachsende Anforderungen. Neben der gestiegenen Bandbreite bringt die neue IP-Technik auch ökologische Vorteile: Dank moderner Netzprozessoren konnte der Energieverbrauch deutlich gesenkt werden. Die Modernisierung zahlt sich also nicht nur technisch, sondern auch energetisch aus.

„Wir mussten eine Messplattform auf Basis von Telemetry entwickeln, die DDoS-Erkennung
und -Abwehr komplett umbauen und
wegen des Herstellerwechsels Zusammen-
hänge neu erlernen – vieles auf der Grundlage
von Dokumentationen. Spannend war, ob die Theorie der Realität standhält. Es war ein großartiger Moment, als die neuen Router produktiv gingen.“
Jochen Schönfelder, DFN-CERT Projekt und Entwicklungsteam
Analyse in Echtzeit – durch modernes Monitoring
Parallel zur Installation der Hardware wurden die neuen Router in das Echtzeitmonitoring-System DMon integriert. Es liefert Analysen zum aktuellen Betriebszustand, erkennt Störungen frühzeitig und unterstützt eine stabile Netzverfügbarkeit. Der Herstellerwechsel erforderte dabei eine Reihe technischer Anpassungen – insbesondere bei Schnittstellen und Protokollen – um die Einführung der Streaming-Telemetrie zu ermöglichen.
Das Ergebnis: ein deutlich leistungsfähigeres Monitoring mit fünfmal mehr Messpunkten und Alarmierungen in unter einer Minute.
Sanfte Migration – im laufenden Betrieb
Insgesamt wurden über 1000 Teilnehmeranschlüsse für die Dienste DFN-Internet und DFN-VPN auf die neue Plattform migriert – ohne längere Unterbrechungen. Ein echter Kraftakt, der nur durch präzise Planung und abgestimmte Zusammenarbeit aller Beteiligten möglich war. Mit der Inbetriebnahme der neuen Core-Router ist die seit 2021 laufende Modernisierung des X-WiN erfolgreich abgeschlossen. Auch das Vergabeverfahren für die Teilnehmeranschlüsse im Zugangsnetz wurde in diesem Zeitraum beendet und bildet ein weiteres Puzzlestück zur Umsetzung der Leistungssteigerung des Dienstes DFN-Internet.

„Von der Bestellung der Router-Schränke über die Stromversorgung bis hin zum Einbau der Nokia-Router – die Koordination aller Gewerke vor Ort an den einzelnen Standorten war eine echte Herausforderung. Umso beeindruckender war die reibungslose Zusammenarbeit mit Nokia und allen Partnern: präzise abgestimmt bis ins Detail, hochprofessionell und mit vollem Einsatz.“
Karsten Kuschel, DFN-Standortverwaltung
Resümee der Modernisierung
Viele Köpfe, ein Ziel: Die Rundumerneuerung des X-WiN war ein Kraftakt, getragen von den Expertinnen und Experten der DFN-Geschäftsstelle und des DFN-CERT. Ihr Einsatz verdient große Anerkennung. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Mit moderner Technik, leistungsfähiger Infrastruktur und höchster Verfügbarkeit gehört das X-WiN heute zu den leistungsstärksten Wissenschaftsnetzen weltweit – bereit für die Herausforderungen von morgen.
WAS DIE PLATTFORMEN IM X-WIN LEISTEN
Die Faserplattform bildet das Fundament des X-WiN: Rund 10 250 Kilometer Glasfaserpaare verbinden bundesweit insgesamt 66 Kernnetzstandorte miteinander. Sie dienen als Transportmedium und leiten die Daten – buchstäblich mit Lichtgeschwindigkeit (in Glas 200 Tkm/s). Jeder Standort ist dabei über mindestens zwei unabhängige Strecken erreichbar – ein wichtiger Beitrag zur Ausfallsicherheit.
Die Optische Plattform wandelt elektrische Signale mithilfe von optischen Transpondern und Muxpondern in Lichtsignale um. Sie sind die Schnittstelle zur IP-Plattform. Muxponder ermöglichen zusätzlich die Bündelung mehrerer Signale auf einem einzigen Wellenlängenkanal.
Die Lichtsignale werden anschließend über das sogenannte DWDM-System (Dense Wavelength Division Multiplexing) übertragen. An jedem Kernnetzstandort sorgt diese Technik dafür, dass mehrere Datenströme gleichzeitig – auf unterschiedlichen Wellenlängen – durch eine Glasfaser geschickt werden können. Mithilfe dieser Technologie werden auf der Glasfaserplattform Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen den Kernnetzknoten hergestellt. Für die Weiterleitung der Lichtsignale sorgen Flex-Grid-fähige ROADMs (Reconfigurable Optical Adddrop Multiplexer).
Die IP-Plattform sorgt mit ihren Routern und Switches für die richtige „Weichenstellung“ im Netz und damit für den schnellen und sicheren Datentransport zwischen den Einrichtungen – auch bei hohem Datenaufkommen oder Ausfällen einzelner Komponenten. Konkret setzt sich die IP-Plattform aus zwei Ebenen zusammen: dem IP-Core mit acht leistungsstarken Routern an zentralen Netzpunkten sowie der Aggregationsplattform mit weiteren Routern. Diese beiden Ebenen bilden gemeinsam ein hochverfügbares, redundantes Routing-Netz, das auf den Verbindungen der Optischen Plattform aufsetzt.
Text: Maimona Id, Henry Kluge