Fit für die Zukunft – die GN5-Projekte

03.08.2023

Mit den beiden Projekten GN5-1 und GN5-IC1 unter dem EU-Programm Horizon Europe wurde im Januar 2023 die nächste Etappe der GN-Projektreihe eingeläutet. Seit mehr als 20 Jahren entwickeln und betreiben die europäischen nationalen Forschungsnetze unter dem Dach der GÉANT Association eine gemeinsame Backbone-Infrastruktur. Unbescheidenes Ziel: das beste Netz und die besten Dienste für Forschung und Lehre in Europa.

GÉANT global connectivity map: Das Backbone-Netz GÉANT verbindet europäische und weltweite NRENs (National Research and Education Networks) miteinander | Quelle: GÉANT Association

Nationale Forschungsnetze (National Research and Education Networks, NRENs), zu denen auch der DFN-Verein zählt, leisten mit ihren Diensten seit vielen Jahren einen wesentlichen Beitrag für die rasante Entwicklung von Forschung und Lehre. Die Europäische Union (EU) unterstützt die Zusammenarbeit nationaler Forschungsnetze in Europa, indem sie die GN-Projektreihe fördert. Im Jahr 2000 wurde diese mit dem Projekt GN1 initiiert, mehr als 20 Jahre später befinden wir uns heute mit GN5 in der fünften Auflage. Im Laufe der Jahre haben die Projekte viele Veränderungen durchlebt und sind längst nicht zur Selbstverständlichkeit geworden – jede Beantragung, jede Begutachtung und besonders die Verankerung in den Arbeitsprogrammen der EU sind immer wieder eine neue Herausforderung. Seit 2014 wird die GN-Projektreihe von der GÉANT Association koordiniert, der Vereinigung aller europäischen nationalen Forschungsnetze.

Mit den beiden Projekten GN5-1 und GN5-IC1 fiel Anfang Januar 2023 der Startschuss für die erste Phase der Projektreihe GN5. Zum Auftakt trafen sich am 31. Januar und 1. Februar 2023 rund 74 Task-Leader, Workpackage-Leader und Koordinatoren in Dordrecht in den Niederlanden zur ersten Project Management Convention. Ziele des Treffens waren, den Rahmen für das zweijährige Projekt GN5-1 abzustecken, neue Kolleginnen und Kollegen einzubinden und ein gemeinsames Verständnis der Ziele und der Zusammenarbeit für die kommenden zwei Jahre zu entwickeln.

EU-Förderprogramm für Forschung und Innovation – Horizon Europe

Die GN5-Projektreihe wird von Horizon Europe, dem wichtigsten Förderprogramm der EU für Forschung und Innovation, finanziert. In Vorbereitung der Projektreihe wurde bereits im vergangenen Jahr zwischen der Europäischen Kommission und der GÉANT Association ein Rahmenvertrag (Framework Partnership Agreement, FPA) geschlossen, der die strategischen Ziele über den gesamten Zeitraum von Horizon Europe festlegt und die Rolle der GÉANT Association und ihrer Mitgliedern definiert. Der Rahmenvertrag wird oft als „empty envelope“ bezeichnet, denn er bereitet lediglich den Weg, damit in den Arbeitsprogrammen von Horizon Europe formelle Ausschreibungen für die einzelnen Phasen der GN5-Projektreihe veröffentlicht werden können. Der Rahmenvertrag legt jedoch weder die Dauer noch das Fördervolumen der einzelnen Projektphasen fest. Die Kernziele fasst der Rahmenvertrag in sechs Aktionsbereichen zusammen.

GN5-1 und GN5-IC1 im Überblick

Wesentliche Ziele von GN5-1 und GN5-IC1 sind die Weiterentwicklung und der Betrieb eines leistungsfähigen, sicheren und kosteneffizienten Verbindungsnetzes zwischen den europäischen nationalen Forschungsnetzen sowie deren globale Anbindung. Diese bereits bestehende Netzinfrastruktur muss an die stetig steigenden Bedarfe an Übertragungskapazität und Verfügbarkeit angepasst werden – mit schnellen Verbindungen bis in den Terabit-Bereich.

Weitere Schwerpunkte in GN5-1 sind die Erprobung und Organisation von innovativen Diensten. Hier nimmt die seit Jahren etablierte Infrastruktur für Identitäts- und Zugriffsmanagement eine herausragende Rolle ein. Als vertrauenswürdiger Zugang zu den gemeinsamen Datenräumen in Forschung und Lehre ist sie unerlässlich, gleichzeitig muss sie fortwährend auf wechselnde Rahmenbedingungen und Anforderungen reagieren.

Das Projekt GN5-1 besteht aus neun Workpackages mit insgesamt 42 Task-Areas:

Mit seinen Unterauftragnehmern Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (LRZ), Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und DFN-CERT Services GmbH (DFN-CERT) ist der DFN-Verein an allen neun Arbeitspaketen von GN5-1 maßgeblich beteiligt.

 

Das Projekt GN5-IC1 ist für drei Jahre angesetzt und durch das Kürzel IC für Intercontinental Connectivity ist dessen Schwerpunkt bereits über den Namen definiert. Im Rahmen des Projektes soll die globale Reichweite des europäischen Verbindungsnetzes verbessert werden, indem Lücken in der Konnektivität geschlossen und bestehende interkontinentale Verbindungen aktualisiert werden. Motivation sind die enormen Datenmengen, die in der Wissenschaft erzeugt, weltweit verteilt und künftig noch stark zunehmen werden.

Eine besondere Herausforderung in diesem Projekt ist das aktuelle Spannungsfeld, in dem es sich bewegt. Einerseits liegt das an der zunehmenden Bedeutung der digitalen Souveränität Europas, die unter anderem mit der von der EU im März 2021 veröffentlichten European Data Gateways Declaration ihren Ausdruck gefunden hat. In der Erklärung wird die Bedeutung der sicheren globalen Netzanbindung Europas betont, wobei auf die Rolle von GÉANT und das erfolgreiche Projekt BELLA zur Verbindung mit Lateinamerika ausdrücklich hingewiesen wird.

Andererseits adressiert das Projekt Ansätze zur besseren Vernetzung globaler Zusammenarbeit in Forschung und Lehre, welche sich nur in enger Abstimmung mit Staaten außerhalb Europas sinnvoll entwickeln lassen. Daher gehört es auch zu den Aufgaben des Projektes, geplante internationale Forschungsvorhaben frühzeitig zu identifizieren und den zukünftigen Bedarf an interkontinentaler Konnektivität zu ermitteln. Darauf aufbauend sollen eine langfristige, international abgestimmte Kapazitätsplanung sowie die dafür notwendigen Investitionen und potenzielle Förderinstrumente vorgeschlagen werden.

GÉANT: Ergebnis jahrzehntelanger europäischer Zusammenarbeit

Die GN-Projektreihe hat ein bewegtes Leben hinter sich, in dem es zu einigen Änderungen in der Gestaltung und Ausführung kam. Aus dem 5. Rahmenprogramm der EU wurde von November 2000 bis Oktober 2004 das Projekt GN1 gefördert. Kern des Projektes war die Konsolidierung und Aufrüstung des bestehenden Verbindungsnetzes zwischen den europäischen Forschungsnetzen. Dieses erhielt den Namen „GÉANT – Gigabit European Advanced Network Technology“ – wobei der Accent aigu über dem É eine Anlehnung an das französische GÉANT für Gigant war, zur Betonung einer seinerzeit schier unvorstellbar hohen Übertragungskapazität. Das Projekt wurde von der Delivery of Advanced Network Technology to Europe (DANTE) Limited koordiniert, einer 1993 in Cambridge gegründeten Gesellschaft, an
der neben dem DFN-Verein 14 weitere europäische Forschungsnetze Anteile hielten.

Dank des großen Erfolges wurde die Projektreihe im 6. und 7. EU-Rahmenprogramm fortgesetzt, entsprechend unter den Kürzeln GN2 und GN3 – bereits in GN3 kam es zu einer zweiten Projektphase GN3plus. Mit GN4 unter dem 8. Rahmenprogramm sollten sich gleich mehrere Änderungen ab 2015 ergeben: Die Koordinierung übernahm die GÉANT Association, welche durch Zusammenschluss von DANTE Limited und der Trans-European Research and Education Networking Association (TERENA) entstanden war. Motivation für den Zusammenschluss war die Organisationsform von DANTE Limited, der nicht alle europäischen Forschungsnetze beitreten konnten – diese waren rein formal stimmlose Beobachter in DANTE Limited und auf „goodwill“ der 15 Gesellschafter angewiesen. Demgegenüber war TERENA als Vereinigung aller europäischen Forschungsnetze zwar gut aufgestellt, hatte jedoch seitens der Europäischen Union nicht das Vertrauen als mögliche Koordinatorin eines Großprojektes. Dieses Vertrauen hatte sich DANTE Limited über Jahre hart erarbeitet. In einem mehrjährigen Einigungsprozess, durchaus im Einvernehmen mit der Europäischen Kommission, wurde Ende 2014 der Zusammenschluss vollzogen.

Für GN4 wurde zuerst ein Framework Partnership Agreement (FPA) zwischen Europäischer Kommission und der GÉANT Association geschlossen, welches die Ausschreibung einzelner Projektphasen (Specific Grant Agreements, SGAs) über die Arbeitsprogramme unter Horizon 2020 vorbereitete. Im Ergebnis kam es zu drei aufeinander folgenden Projektphasen GN4-1, GN4-2 und GN4-3, wobei die letzte noch durch das separate Projekt GN4-3N zum Ausbau des GÉANT-Backbone ergänzt wurde. Die Projektreihe GN4 endete zum Dezember 2022. Der Ansatz, über ein FPA mehrere aufeinanderfolgende SGAs vorzubereiten, wurde für die Projektreihe GN5 in das 9. Rahmenprogramm übernommen.

Dem dynamischen Werdegang einer mittlerweile über 20 Jahre andauernden Projektreihe steht die hohe Kontinuität gegenüber, mit der die Europäische Union diese Entwicklung unterstützt hat. Es ist schwer vorstellbar, wie die Landschaft europäischer Forschungsnetze ohne diese Unterstützung heute aussehen würde. So wurde in Gesprächen mit hohen Vertreterinnen und Vertretern des Europäischen Parlaments lobend anerkannt, dass es sich bei den GN-Projekten „wohl mit um die europäischsten handelt, die je von der EU gefördert wurden“.

Ist die Fortführung über das aktuelle Rahmenprogramm hinaus damit bereits gesichert? Sicherlich nicht. Alle Seiten eint das Interesse an einem nachhaltigen Fortbestand der GN-Reihe. Unverkennbar sind jedoch die sich abzeichnenden Änderungen an den Rahmenbedingungen zukünftiger EU-Förderung. Die Diskussionen darüber haben bereits begonnen, wichtige Weichenstellungen finden in den kommenden zwei bis drei Jahren – und keinesfalls später – statt. Die große Herausforderung, die GÉANT Association mit ihren Mitgliedern wie dem DFN-Verein fit für die Zeit ab 2028 zu machen, liegt also unmittelbar vor uns.

Text: Christian Grimm (DFN-Verein)

Christian Grimm war von 2015 bis 2020 Vorstandsvorsitzender der GÉANT Association.

Weitere Informationen zur GN-Projektreihe finden Sie hier